Gestaltung der Modeln

Der Formenschneider war ein eigener, kunsthandwerklicher Beruf. Auch die Formen, nach denen man Holzschnitte auf Papier abdruckte, die Modeln für Spekulatius usw., wurden von ihnen geschnitten. Die Modelschnitzer waren in der Regel nicht erfindende Künstler, sie benutzten in der Regel graphische Vorlagen. Vom 16. bis ins frühe 20. Jahrhundert wurden solche für die Handwerker geschaffen, vervielfältigt und gedruckt. Das Übernehmen fremder Entwürfe galt damals als selbstverständlich, denn die Kunst lag ja zu einem wesentlichen Teil in der Tradition. Man nahm dort Vorlagen, wo man sie fand, z.B. aus illustrierten Büchern, insbesondere Bibeln, und von Einzelholzschnitten oder Kupferstichen. Die Skala der künstlerischen Möglichkeiten variierte von der schöperischen Umprägung und der Verarbeitung mehrerer Vorbilder in eine Darstellung über dass "wörtliche" Zitat bis hin zur Vereinfachung. Nur in wenigen Fällen kam es vor, dass profilierte Formenschneider eigenständige künstlerische Arbeiten schufen. In der Frühzeit des Eisengusses gehörten die Modelschnitzer keiner geschlossenen Berufsgruppe an. Ornamentmeister, Bildschnitzer, Schreiner und Bildhauer wurden nach Bedarf herangezogen. Doch arbeiteten verschiedene Künstler, deren Namen bis heute überliefert sind, auch beständig für einen Auftraggeber. Die meisten der Modelleure, welche die Bilderwelt des 16. und 17. Jahrhunderts schufen, sind jedoch namentlich nicht bekannt geworden. Einige Monogramme auf den Gussplatten weisen gelegentlich auf ihr Schaffen hin.

 

Der Frage nach den Vorlagen für die reliefierten Kamin-/Taken- und Ofenplatten wurde für das 16. Jahrhundert bereits intensiv nachgegangen und es konnte eine größere Zahl graphischer Vorbilder ermittelt werden. Die folgenden Jahrhunderte fanden in der Forschung bisher weniger Beachtung. Als eine der wichtigsten Vorbildquellen für das 16. Jahrhundert erwiesen sich Bibelillustrationen von Virgil Solis und Jost Amman oder das Gebetbuch Hortulus animae mit Bildern von Hans Springinklee. Ihre Darstellungen hatten großen Einfluss auf die bildende Kunst ihrer Zeit. Ferner wurden Holzschnitte und Kupferstiche von Werken zeitgenössischer Meister wie Albrecht Dürer, Hans Burgkmair und anderen genutzt. Bild 1 zeigt den "Tod des Absalom" als Radierung von Augustin Hirschvogel (geb. 1502, gest. 1553) zurück, einem deutscher Künstler, Geometer und Kartograph der Renaissance. Bild 2 zeigt die "Traumdeutung des Pharao" nach einem Kupferstich, 1670, von Pierre Mariette (1634–1716) nach Merian. Aus: L’Histoire du Vieux et du Nouveau Testament (..) (Matthäus Merian dem Älteren (geb. 1593, gest. 1650).

 


                            Radierung Augustin Hirschvogel                                  Ofenplatte, 94 x 82 cm, Lahngebiet, 2. H. 17. Jh.

                                                                                                                        Sammlung KREMER, Inv.-Nr.: 176

                        

                           Bild 1: Bildvorlage Augustin Hirschvogel (geb. 1502, gest. 1553)

 

 

                                Quelle:

                                https://www.artsy.net/artwork/augustin-hirschvogel-absalom-slain-by-joab

 

 

 


            Kupferstich, 1670, von Pierre Mariette (1634–1716)                    Ofenplatte, 60 x 61 cm, Zinsweiler, dat. 1803

            Aus: L’Histoire du Vieux et du Nouveau Testament (..)             Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 388

          

           Bild 2: Bildvorlage Matthäus Merian der Ältere (geb. 1593, gest. 1650)

             

             Quelle:

             Par le Sieur de Royaumont, Nouvelle edition, Paris (Jean Villette) 1723, S. 63.
             Berlin, Sammlung Archiv für Kunst und Geschichte.

 

 

Seit Beginn des Plattengusses wurden die Formenschneider auch von Bildern inspiriert, die bei griechisch-römischen Ausgrabungen zu Tage traten (Bild 3) bzw. von Bildern namhafter Künstler, die die griechisch-römisch Mythologie bildlich fassten. In den folgenden Jahrhunderten spielten dann für die Ornamentik auch Musterbücher eine große Rolle.

 

 


                  Die Amorettenverteilerin, Fresko aus der Villa Arianna      Verteilung der Amoretten, Kaminplatte, 96 x 96 cm,                 
                 
in Stabiae                                                                                     Lothringen, 2. H. 18. Jh. Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 285

 

                 Bild 3: antike Vorlage "Die Amorettenverteilerin"

                    

                    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Venditrice_di_amorini_1.jpg?uselang=de

 

 

Der Formenschneider konnte sein Geschick beweisen, indem er die zweidimensionalen Bilder ins Relief umsetzte, teilweise neu komponierte und in das gewünschte Format brachte. Das Gussverfahren erforderte die Beschränkung auf eine geringe Tiefe und den Verzicht auf jegliche Unterschneidung.  Die Unvollkommenheiten so mancher Gussplatte gehen vielfach auf das Unverständnis und die Gleichgültigkeit der Hüttenarbeiter zurück, denn ihnen blieb es überlassen, welche Reliefs oder Stempel sie auf eine Grundplatte nagelten. Da für sie die Hauptsache war, dass das Format stimmte und der Guss gelang, war es ihnen oft gleichgültig, ob ein Stempel schief saß, ob die Nagelköpfe versenkt waren oder ob ein beschädigfte Model mit einem gänzlich fremden Stück repariert war.

 

 

Quellen:

W. Guthmann: Druckgraphik als Vorbild für Kunsthandwerk. Zur Vorlagenverwendung im Eisenguss des 16. Jahruhderts. In: Studien zum künstlerischen Eisenguss. Festschrift für Alfred Kippenberger, Marburg 1970

S. Theisen: Der Eiffler Eisenkunstguss im 15. und 16. Jahrhuindert, Köln 1978

W. Lehnemann: Der Küchenherd. In: Beruf der Jungfrau, Henriette Davidis und Bürgerliches Frauenverständnis im 19. Jahrhundert, Oberhausen 1988

 

 

Es existieren eine Vielzahl von Gussplatten, die aus der gleichen Zeit sehr ähnliche bis fast identische Bildmotive zeigen, oft aber auf verschiedenen Werken verwendet wurden.

 

Die meisten Formenschneider arbeiteten nach Vorbildern, was schon den Vorstellungen des Mittelalters entsprach. "Künstlerische Erfindung und Bildkomposition waren Leistungen, die in den vergangenen Jahrhunderten nicht als geistiges Eigentum des Einzelnen empfunden wurden, sondern als Geschenk an Alle, auch an Nachfolger" (Ph. Schmidt). Tauler, ein deutscher Predigermönch des 14. Jahrhunderts, soll in einer Predigt gesagt haben: "Ein fleißiger Maler, der für sich ein hübsches Bild malen will, beschaut zuvor ein anderes wohlgemaltes Bild gar eben und zeichnet alle Punkte desselben auf seine Tafel und alsdann formiert er sein Bild danach, so treulich er kann." Dem folgten auch die Graphiker des 15. und 16. Jahrhunderts, die nicht selten Vorbilder ihrer Vorgänger oder ihrer Zeitgenossen in Teilen übernahmen oder gar vollständig kopierten. Es gab somit keinen Urheber- oder Gebrauchsmusterschutz und dementsprechend auch nicht den Begriff des Plagiates.

 

Ph. Schmidt: Die Illustration der Luther-Bibel 1522-1700. Ein Stück abendländische Kultur- und Kirchengeschichte, Basel 1962

 

Im Motiv sehr ähnliche Gussplatten könnten demnach auf der gleichen Bildvorlage basieren und von verschiedenen Formenschneidern für unterschiedliche Gießereien geschnitzt wurden. Zum anderen könnte es sein, dass ein und derselbe Formschneider nicht nur eine Hütte belieferte sondern frei in der Belieferung verschiedener Auftraggeber war und seine Bildnisse bei gleicher Vorlage variierte.

 

Anzeichen dafür finden sich z.B. im Saarland (Bild 4). Eine Winter-Darstellung wurde (vermutlich) aus einer Künstlerhand für verschiedene Hüttenwerke in unterschiedlichen Herrschaftsgebieten geschnitzt. Eine Auftragsarbeit für die Dillinger Hütte auf lothringer Gebiet mit der Signierung 17 FAIT A DILLIN 38 (oben) und L´HYVER (unten) und eine für die nassauischen Eisenwerke Neunkirchen, Geislautern und Fischbach mit der Signierung FT. NASSAU SAARBRICK (oben) L´HYVER (unten) (Model wurden hier zwischen den Hütten ausgetauscht). Die Modeln weisen nur geringe Detailunterschiede im Schnitzwerk auf. Offensichtlich wurde dies von den Hüttenwerken toleriert.

 

Eine Dritte Variante ohne Hüttensignierung, vielleicht für die Hütte Nunkirchen geschnitzt, wurde entweder von einem anderen Formschneider den Exemplaren für das Dillinger Werk und die Nassauischen Hütten "nachgeschnitten" oder der fremde Künstler benutzte die gleiche Bildvorlage. Sie trägt keine Hüttensignierung aber auch das französische Wort für Winter, allerdings in einer anderen Schreibweise: L´HIVER. Dies weist darauf hin, dass es sich nicht um denselben Formschneider handelt, der die Winterplatten für Dillingen und die Nassauischen Werke schnitzte.

 


Winterdarstellung für die Dillinger Hütte        Winterdarstellung für die Hüttenwerke          Winterdarstellung für Nunkirchen (?)

                                                                                 auf Nassauischem Gebiet                                  oder Lothringen

Sammlung KREMER Inv.-Nr. 248                                       Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 251                                      Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 255

 

Bild 4: Verschiedene Darstellungen des Winters (1. H. 18. Jahrhundert)

Es ist auch anzunehmen, dass Formenschneider Modeln bzw. Gussplatten aus der Hand von Kollegen als Bildvorlage nutzten. In diesem Fall spricht man von "Nachschnitten". Das Nachschneiden von Bildmodeln war offensichtlich nicht unüblich. Den Begriff des geistigen Eigentums oder Auseinandersetzungen zwischen Hüttenwerken wegen Produktpiraterie scheint es im Herdplattenguss nicht gegeben zu haben.

Bei auffällig ähnlich gestalteten Bildmodeln ist es nicht immer klar, ob es sich um einen Nachschnitt, also das Kopieren eines Motives durch einen anderen Formschneider oder um Produkte eines und demselben Formschneiders handelt, der im Dienste verschiedener Hüttenwerke arbeitete.

 

Auch im Lothringischen waren Kaminplatten mit auffällig ähnlicher Gestaltung auf dem Markt, wie beispielhaft die folgenden Kaminplatten mit dem Wappen Leopold I. (um 1700) (Bild 4) oder die spätere Darstellung der Venus (Bild 5) aus der Zeit um 1800 zeigen,

 

Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 76                              Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 79                             Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 80

Bild 4: Drei Varianten Wappen Herzogtum Lothringen, um 1700

 

 


 Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 328                                     Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 326                                      Sammlung KREMER, Inv.-Nr.329

 

Bild 5: Nachschnitte der Darstellung der Venus (um 1800) oder gleiche Bildvorlage ?

 

 

Es gibt viele erstaunliche Beispiele dafür, dass über die Landesgrenzen hinweg in unterschiedlichen - und sicher in Konkurrenz stehenden - Werken nahezu identische Bildmodeln verwendet wurden. Ein häufig zu findendes Beipspiel dafür ist die Darstellung der Pomona/Pax, die in Neunkirchen und in nahezu identischer Ausführung auch in der Hütte Quint angeboten wurde. (Bild 6)

 


           Kaminplatte "Pomona", Neunkirchen um 1700                             Kaminplatte "Pomona", Quinte um 1700

            Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 317                                                                           Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 323

 

          Bild 6: Darstellung der Pomona, Modeln in Neunkirchen und Quint

 

 

Einstellen des Plattenformates/der Bestellabmessungen

 

Zur Anfertigung von Kamin-und Takenplatten bestimmter Bestellabmesungen - angepasst an den jeweiligen Kamin -  konnte das Sandbett mit Brettern beliebig erweitert werden, die Freiflächen wurden dann oft mit beweglichen Motivstempeln gefüllt. Auf diese Weise konnten auch sehr imposante Größen erreicht werden (Bild 7).

 

 

Abmessungen Bildmodel: 107 x 84 cm                                                   Neue Abmessungen: 131 x 129 cm

Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 178                                                                                     Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 179

 

Bild 7: Erweiterung des Bildmodels mit zusätzlichen Randleisten (Das Urteil des Salomons, Naussauische Hütte, 1. H. 18. Jh.)

 

 

Auf diese Weise konnte so auch die Form der Kaminplatte verändert werden, wie hier von der Rundbogenform zur rechteckigen Form (so konnte man aus einem Model einer Kaminplatte eine Takenplatte anfertigen) (Bild 8)

 

                                 50 x 53 cm                                                                 63 x 64 cm

                                       Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 76                                              Sammlung Kremer, Inv.-Nr. 78

                               

                                Bild 8: Erweiterung einer Kaminplatte zu einer Takenplatte (Wappen Leopold I, dat. 1704)

 

 


                                 65 x 62 cm                                                                  65 x 62 cm

                                       Bildarchiv  ArchH982                                                                  Sammlung Kremer, Inv.-Nr. 491

                               

                                Bild 8: Vergrößerungen einer Kaminplatte (Allianzwappen Frankreich/Navarra, dat. 1613)

 

 

War das Model für die Bestellabmessungen zu klein, ging man oft rücksichtslos vor, wie Bild 7a zeigt.

 


                      Bild 7a: Verkleinerung des Bildmodels von 100 x 100 auf 100 x 75 cm  (Das Urteil des Paris,

                       Lothringen, 18./19. Jh).

Die Verwendung der beweglichen Stempel hatte nicht nur die Verschönerung der Freiflächen zum Ziel sondern wurden gezielt eingesetzt, um als Verstärkung dem Verziehen der Platte beim Abkühlen entgegenzuwirken. Der vergleich der verschiedenen Motivstempel erlaubt es uns heute einzelne Platten bestimmten Hütten zuzuschreiben, allerdings ist zu bedenken, dass manche Modeln zwischen befreundeten Eisenwerken "wanderten", besonders dann, wenn mehrere Hütten in der Hand eines Besitzers waren.

 

 

Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 208                  Bildarchiv

 

Bild 8a: Verwendung eines Ofenplattenmodels zur Fertigung einer Kaminplatte

Nachträgliche Veränderung der Bildmotive

 

Nicht selten sind auch Platten erhalten, auf denen ein Model durch ein anderes ganz oder teilweise überblendet ist. Manchmal wurden so zur Überblendung einzelner Bereich innerhalb von ganzteiligen Bildmodeln kleinteilige Modellbrettchen benutzt. Ein interessantes Beispiel dafür zeigt eine Kaminplatte aus Quint in Bild 9:

Die Fertigungsschritte waren hier wie folgt: Zunächst wurde das ganzteilige Bildmodel "Pomona" im Sandbett eingeformt (Bild 3 links). Sodann wurden nachträglich verschiedene Modellbrettchen in den Sand gedrückt (Bild 3 rechts): Ein Modellbrettchen mit der Madonna (rechts der Pomona), eines mit dem Kruzifix und eines mit dem auferstandenen Jesus (links der Pomona). Zusätzlich verwendete man noch einen Schlüssel als Model und formte diesen der Pomona in die linke Hand. Dazu verwendete man noch ein Modelbrettchen mit dem Monogram Jesu, welches man im Sand unter der Madonna und dem Auferstandenen  platzierte.


            Kamin-/Takenplatte "Pomona/Pax", Quinte um 1700               Variante mit verschiedenen Modellbrettchen           

              (Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 323)                                                                       Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 386)

           

           Bild 9:  Einsatz von Modelbrettchen zu Umgestaltung eines ganzteiligen Bildmodels

 

Umschnitzen von Modeln

 


                                                        Bild 9a: Inv.-Nr. 448                                       Bild 9b: Bildarchiv  

 

Die Bilder 9a und 9b geben ein Beispiel dafür, dass es auch vorkam, dass ein vorhandenes Model umgeschnitzt wurde.

 

Im vorliegenden Falle wurde das ursprüngliche Allianzwappen Lothringen (Karl V.)/Frankreich (Ludwig XIV.) zum Allianzwappen des lothringischen Herzogs Leopold I. und seiner Ehefrau Élisabeth Charlotte d'Orléans (1676–1744), Tochter von Philippe von Frankreich, umgestaltet. Dazu ergänzte der Schnitzer die ursprünglich offene Herzogskrone zu einer geschlossenen Bügelkrone, d.h. einer Königskrone, die Leopold I. tragen durfte. Im rechten Wappenteil drückte man entweder einen Holzstab oder einen geschnitzten Turnierkragen zwischen die Bourbonenlilien, um daraus das Wappen Orléans zu formen. 

 

                                       

In der Sammlung befindet sich auch ein umgeschnitztes Model (Bild 9c und d). Im Medaillon befand sich ursprünglich das Portrait des Französischen Königs Ludwig XV. oder XVI., welches entfernt wurde. Das Portrait ist schemenhaft noch zu erkennen, ebenso wie die Umschrift:

REX CHRISTIANISS

 (christlicher König)

 

Vermutlich wurde das Portrait ab 1793 entfernt, als im Zuge der französischen Revolution Symbole der Französischen Monarchie verboten wurden. So griff man kurzer Hand zum Werkzeug, entfernte Portrait und Inschrift und erhielt ein "Omni-Model", dessen Prinzip im Folgenden noch beschrieben wird. Die entstandene Freifläche wurde dann dazu genutzt, im Sandbett unterschied-liche Motive einzuformen. Ein Beispiel dafür zeigt Bild 9e, mit drei Rosetten in der Freifläche.

 

 


Bild 9c: Holzmodel (82x80 cm), Portrait Ludwig XV. (XVI.) (Inv.-Nr. 469)                                        Bild 9d: Kaminplatte (Bildarchiv)

 

Medaillen Ludwig V. und Ludwig XVI. (Bildarchiv)

 

 

Verwendung von Omni-Bildmodeln

 

Durch die Verwendung von Omni-Modeln konnte man mit den Modelbrettchen schnell und ohne großen Aufwand Gussplatten nach den Wünschen der Kunden mit vielfältigen Bildmotiven herstellen Omni-Modeln waren Modeln mit Freiflächen, in die man beliebige Bildstempel/Modelbrettchen usw. einfügen konnte. Die folgenden Bilder zeigen dies am Beispiel von Kaminplatten der Hütte in Quint.

In der oberen Reihe befinden sich Gussplatten, die als Grundlage jeweils das gleiche ganzteilige Bildmodel besitzen. Im freien Feld in der Mitte des Models wurden Modellbrettchen mit verschiedenen Motiven eingeform (Bild 10). Die untere Reihe zeigt Gussplatten, die als Grundlage ein anderes ganzteilige Bildmodel - eine andere Rahmenwerkversion - besitzen (Bild 11).


     Wappen Schmidtburg/Orsbeck                     Pomona /Pax                                                      Madonna als Himmelskönigin

     Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 68                                     Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 323                                    Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 235

  

     Bild 10: Wechselnder Einsatz von Modellbrettchen bei Kamin-/Takenplatten der Hütte Quint (um 1700)

 


Wappen Orsbeck/Schmidtburg                            Flora                                                                  Madonna als Himmelskönigin

Stadtmuseum Saarlouis (Bildarchiv)                                      Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 296                                Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 129

 

Bild 11: Wechselnder Einsatz von Modellbrettchen bei Kamin-/Takenplatten der Hütte Quint (um 1700)

 

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Ziffern, Zahlen und Datierung

 

Zur Altersbestimmung der Kamin-/Taken- und Ofenplatten können vorallem mitgegossenen Datierungen dienen. Diese Datierungen können ablesbar sein als Jahreszahlen, aus eine textlichen Beschreibung sowie aus Wappen oder anderen heraldischen Zeichen. Grundsätzlich muss bei der Altersbestimmung unterschieden werden, ob die unmittelbare ablesbar oder indirekt deutbare Datierung die Entstehung des Models oder das Gussjahr der Platte angibt.

Im Model geschnitzte Datierungen wiederholen sich - sofern die Datierung nicht entfernt wird - bei allen Abgüssen, unter Umständen über lange Zeit. Modeldatierungen können deshalb eine Platte um Jahre und Jahrzehnte älter machen, als sie tatsächlich ist.

Außerhalb des Bildmodels, aber innerhalb des Plattenrahmens gegossene sowie Datierungen, die in das vom Model ausgefüllte Bildfeld eingepasst sind, geben das Gussjahr an und damit das tatsächliche Alter der Platte (siehe Bild 12b und c, sowie Bild 13). Durch Model- plus Gussdatierung kommt es hin und wieder zu Doppeldatierungen: Das von Formenschneider im Model festgehaltene Entstehungsjahr seiner Schnitzarbeit wird vom Gießer ergänzt durch die Kenntlichmachung des Gussjahres. So finen sich Platten mit zwei weit auseinanderliegenden Jahreszahlen (Bild 12a).

Oft ist die Schnitzarbeit des Formenschneiders auf Egänzung des Gussjahres durch die Hütte angelegt: Er liefert die eingeschnitzte Datierung nur mit Jahrhundert- und Jahrzehntangabe, die Jahreszahl bleibt frei. So kann das Passepartout entsprechend mit der Jahreszahl ausgefüllt werden für das Gussjahr im blanko vorgegebenen Jahrzehnt oder Jahrhundert (Bild 12d).


 


                            a                                                                      b                                                                     c                                                                          d

Modeldatierung 1738  und                               Ofenplatte                und        mit nachträglicher                      Datierung nur mit Jahr-     nachträgliche  Datierung                             ohne Datierung                        Datierung im Sandbett                 hundert und Jahrzehnt

im Sandbett 1771                                                                                                     in das Jahr 1738

Sammlung Kremer, Inv.-Nr. 116                                        Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 162                                      Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 164

 

Bild 12: Model- und Sandbettdatierung 

 

 


Kaminplatte ohne Modeldatierung und -signierung                     und   mit nachträglicher Datierung und Signierung im Sandbett

                                                                                                                                                       17     GEISLAUTERN    37

Sammlung Kremer, Inv.-Nr. 178                                                                                         Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 177

 

Bild 13: Nachträgliche Sandbettdatierung

 

 

Die Jahreszahl ist der am meisten gefundene Datierungshinweis. Dabei können die Ziffern einzeln über die Platte verteilt (Bild 6 c) oder - das ist meisten der Fall - zu einem Ziffernblock zusammengefasst sein. In der Regel wurde dieser Ziffernblock vorher (vom Formenschneider oder vom Former) auf einem Täfelchen befestigt und dann als Model-Stempel benutzt. Diese Jahrszahltäfelchen können so "eingestempelt" sein, dass ihre Ränder nicht sichtbar werden. In den meisten Fällen ist aber die Datums-"Tafel" erkennbar (Bild 14).

 

 

                                                             Sammlung Kremer Inv.-Nr. 231

 

                                                   Bild 14: Datierung einer Kaminplatte mit einer Datums-"Tafel"

 

 

Während aus Modeldatierungen resultierende Jahreszahlen, das Jahr angeben, in dem eine Platte frühestens erzeugt wurde, geben die im Sandbett eingefügten Jahreszahlen das wahre Jahr der Entstehung an.

 

 

 

 

Buchstaben und Beschriftungen

 

Seit dem beginnenden 16.Jahrundert weist ein großer Teil der Kamin-/Taken- und Ofenplatten in unserer heimat Beschriftungen auf, die aus einzelnen (Groß-)Buchstaben, Monogrammen, aus Einzelwörtern oder aus Wortfolgen in Satz- oder Versform bestehen können. Die Schrift selbst kann dabei gotisch oder lateinisch, die Beschriftung in deutscher (auch niederdeutscher), lateinischer oder französischer Sprache gegossen sein.

Alleinstehende Großbuchstaben geben oft damit den Anfangsbuchstaben der erzeugenden Hütte an, z.B. D für Dillinger Hütte oder V für das Eisenwerk Villerupt oder G für Gaisberg, (Bild 15).

 

                                                                                               Sammlung Kremer Inv.-Nr. 98

 

                                                                               Bild 15: Signierung einer Ofenplatte mit dem Großbuchstaben G

 

 

 

Zwei oder drei Großbuchstaben findet man eher selten, es sind meist die Initialien von Formenschneidern, Gießern oder Hüttenpächtern sowie von Auftragsgebern, etwa bei Kamin-/Taken und Ofenplatten mit den Initialien der beiden Eheleute als Einzelstücke gegossen worden sind. Sie sind meistens nicht deutbar, zwei Beispiele zeigt Bild 16.

 

 


                                                                                HDG                                                             NMD                                           

 

                                                        Bild 16: Signierung von Gussplatten mit 3-Buchstaben-Initialien

 

 

 

 

Einzelwörter finden sich auf den Kamin-/Taken- und Ofenplatten unserer Region meist in Form des Namens der erzeugenden Hütte (Bild 17).

 


                                            Sammlung Kremer, Inv.-Nr. 145     I                                                 nv.-Nr. 158

 

                                     Bild 17: Signierung von Ofenplatten mit dem Hüttennamen

 

 

Häufig ermöglicht der Formenschneider durch das Anlegen einer leeren Schriftkartusche die individuelle Beschriftung durch die Gießerei vor, meistens für das Einfügen der Gießerei (Bild 18). Das zeigt, dass die Modeln nicht selten unter den Gießereien ausgetauscht wurden.

 

 


                                                     Ofenplatte ohne Signierung in  der Textkartusche und mit Signierung qVUINTE

                                                               (Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 159 und 158)

                                                              

                                                    Bild 18: Nachträgliche Sandbettsignierung (Ofenplatte Hütte Quint)

 

 

Wortfolgen formulieren entweder Wahlsprüche (Bild 19), meist diejenigen der Träger abgebildeter heraldischer Zeichen oder sie geben den Hinweis auf die Bibelstelle einer Szene aus der Bibel oder sie beschreiben diese (Bild 20).

 

 


                          Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 6, Wahlspruch Philipp II. und III.           Inv.-Nr. 260, Wahlspruch Charles Louis de Lenoncourt

 

              Bild 19: Kaminplatten mit Devisen der Landesherren: DOMINUS MIHI ADIVTOR und IN HOC SIGNO VINCES

 


                                        Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 217                                                 Inv.-Nr. 226

 

                 Bild 20: Ofenplatten mit Signierung des Hinweises auf die Bibelstelle und Beschreibung der Bibelszene

 

 

 

Oft finden sich auf den Gussplatten auch belehrende oder warnende Hinweise, wie Bild 21 zeigt:

 

 


                           Sammlung KREMER, Inv.-Nr. 216                                                      Inv.-Nr. 239

                                     DAS IESUS LIEB DEN                                                            Christus richt yber bös und gut

                                           EHSTAND HAT                                                                   Hüt Euch vor der Höllen Glut

                                   BELEGETT DIESE WVN

                                               DER THAT

                           Bild 21: Belehrender und warnender Sinnspruch auf Ofenplatten

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