original oder Neuguss

Kamin-/Taken- und Ofenplatten sind Erzeugnisse der vervielfältigenden Kunst, d.h. von einem Model können fast beliebig viele Abgüsse hergestellt werden, so lange das Model standhält. Modeln aus Holz erleiden dabei eine fortschreitende Abnutzung, die im Vergleich der Abgüsse untereinander sehr oft gut zu erkennen ist.

 

Kamin-/Taken- und Ofenplatten als "Original" im Sinne eines nur einmal gefertigten oder von vorneherein limitierten Stücks gibt es sehr selten. Als Originale können alle nach einem Model oder seinem Nachschnitt - oder mehreren Nachschnitten - gefertigten Platten bezeichnet werden, die anchweislich zu ihrer Zeit nach den damals bekannten Herstellungsmethoden gegossen worden sind.

 

Der Nachweis für solche Originale ist nicht einfach zu führen, so müssten zur Originalitätsbestimmung chemische Vergleichsanalysen des Gusseisens erstellt werden, die sich wiederum an einem anderen nachgewiesenen Original aus der Zeit zu orientieren hätten. Allerdings kann die Analyse der Produkte innerhalb einer Produktionsstätte starken Schwankungen unterworfen sein, da die die Analyse des Eisens bestimmende Erzbasis ständig wechseln konnte.

 

In-situ, das heißt an der Stelle ihres Gebrauches angetroffene Platten, dürften in aller Regel Originale sein. Auch die in Sekundärverwendung benutzten Platten (z.B. als Abdeckung von Jauchegruben, Schornsteinen usw.) dürften originale Gussplatten sein.

 

Heutige Neugüsse - d.h. Abgüsse nach alten Originalplatten - sind im Handel häufig zu finden. Sie werden unter Umständen unter Einsatz spezieller Abhebewerkzeuge oder durch Anfertigen eines leichteren Zwischenmodels, z.B. aus Kunststoff, hergestellt. In den heutigen Gießereien wird üblicherweise nicht mehr im offenen Herdgussverfahren, sondern im geschlossenen Kastenguss vergossen. Mit dieser Formmethode können sehr genaue Neugüsse von alten Originalen hergestellt werden; dabei werden alle Rostnarben, Beschädigungen und Gießfehler sowohl der Vorderseite als auch der Rückseite vom alten Original auf den Nachguss übertragen; der Nachguss erscheint identisch mit dem Original, ist aber kleiner. Denn grundsätzlich erfährt Gusseisen beim Abkühlen eine Schrumpfung zwischen 1-2%. Das bedeutet, dass nicht nur der Abguss eines Originals bis zu 2% kleiner als das Holzmodel, sondern auch ein Neuguss nach einer originalen Gussplatte um 2% kleiner als die originale Gussplatte ist.

Nachweislich sind allerdings Abgüsse von Originalplatten auch bereits in früheren Jahrhunderten entstanden, oftmals dann, wenn das Holzmodel unbrauchbar wurde und die Nachfrage nach dem Bild-Motiv weiter vorhanden war. Ein gutes Beispiel dafür findet man in der Hütte Quint. Das Bildmodel "Das Urteil des Salomons" scheint im 18. Jahrhundert unbrauchbar geworden oder abhanden gekommen zu sein (Bild 1a), vermutlich als die Hütte 1794 von französischen Truppen zerstört wurde. Nach dem Wiederaufbau ab 1800 scheint man dann als Model eine gut erhaltenene Gussplatte (Bild 1b) verwendet und im offenen Herdguss gegossen zu haben. Vermutlich im 19. oder gar erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ man dann einen täuschend ähnlichen Nachschnitt anfertigen. Diese Platte war bis zum Schließen der Hütte 1972 als (Schmuck-)"Takenplatte" im Quinter Werk zu erwerben.

 


Originale Gussplatte vom Holzmodel             Abguss von einer "originalen" Gussplatte       Nachschnitt im 20. Jahrhundert

(ab 1702), Inv.-Nr. 182                                           2% kleiner (verm. ab 1800), Inv.-Nr. 407           (Bildarchiv)                                               

 

Bild 1: Takenplatte "Das Urteil des Salomons" der Quinter Hütte


                        Sammlung KREMER Inv.-Nr. 319                                                               Sammlung KREMER Inv.-Nr. 321                                                       

                    Bild 2: Unterschiedliche Erhaltungszustände einer Kaminplatte

 

 

Zur Unterscheidung Neuguss/Original folgende Ratschläge:

 

a.) Die jeweils größten Exemplare einer Bildvorlage sind am ehesten Originale. Dabei muss im Bildmotiv selbst vermessen werden (!) und nicht an den Plattenrändern, da diese fertigungsbedingt Schwankungen unterworfen sind. Grund: Die Eisenschmelze erfährt beim Erstarren eine Volumenreduzierung von etwa 2%. D.h. der Abguss vom Holzmodel ist um 2% kleiner als die Modelvorlage. Das gilt für alle folgenden Abgüsse.

 

b.) In modernen Gießereien - wenn es sich nicht um Kunstgussgießereien handelt - ist der verwendete Formsand deutlich grobkörniger als in den alten Gießereien. Die Konturen der Abgüsse von originalen Gussplatten sind deutlich flacher und weniger ausgeprägt als die des Originals.

 

Die Punkte a und b setzen voraus, dass originale Exemplare bekannt sind, mit denen fragliche Exemplare verglichen werden können.

 

c.) Schleifspuren, die von elektrisch betriebenen Maschinen stammen, als sicheres Anzeichen für einen Neuguss angesehen werden.

 

d.) Hinweise geben kann auch die Struktur der Plattenrückseite. Je welliger und unebener diese ist, umso eher ist es ein Original. Grund: In der frühen Zeit war die Differenz zwischen Schmelzentemperatur und Erstarrungstemperatur, die sogenannte Gießspanne, relativ gering. D.h. mit dem Füllen des Gießherdes kühlte die Eisenschmelze zunehmend ab. Die Schmelze wurde dadurch immer zähflüssiger, floss nur noch unzureichend und musste oft mit einer Kretsche in die Ecken der Form verteilt werden. Diese Spuren sind oft noch zu erkennen. Das Eisen erstarrte oft schon, bevor die Schmelze sich imGießbett beruhigen konnte und man erkennt noch die Fließwellen.

In heutigen Gießereien ist die Gießspanne deutlich höher. Die Schmelze fließt dünnflüssig in die Form und bleibt dort noch eine ganze Zeit flüssig vorhanden und hat Zeit einen ebenen Flüssigkeitssppiegel zu bilden, bevor sie erstarrt. Deshalb sind Neugüsse auf der Rückseite immer glatt. Es gibt aber auch Originale, bei denen die Rückseite sehr glatt erscheint. Es war sicher so, dass aus einer Ofencharge mehrere Gussplatten gegossen wurden. Bei den ersten war das Eisen noch sehr heiß (hohe Gießspanne), während bei den zuletzt gegossenen Platten das Eisen schon so kalt und zähflüssig war, dass es uneben und wellig erstarrte oder sogar mit der Kretsche verteilt werden musste.

 

e.) In modernen Gießereien wird normalerweise nicht mehr im offenen Herdguss vergossen, sondern im geschlossenen Kasten. In diesem Falle wird die Vorder- und die Rückseite mit abgeformt. D.h. das Kriterium d.) entfällt. Dann sind aber an den Plattenrändern die Nähte der aufeinandertreffenden Kästen (Ober- und Unterkasten) und auf der Rückseite der Platte Reste des Angusses und der Steiger zu erkennen.

 

f.) Eine gewisse Sicherheit - wenn auch mit größerem Aufwand verbunden - bietet eine chemische Analyse. Chemische Kriterien zur Klassifikation wurden an der RWTH Aachen (Gießerei-Institut) und der TU Berlin (Institut für Metallkunde) in den 1980 und 1990er Jahren entwickelt. Demnach darf der S- und der Si-Gehalt bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten.

 

 

FAZIT

 

Die Unterscheidung zwischen Original und Neuguss/Fälschung erfordert Erfahrung. Allerdings scheint diese auch nicht immer vor Irrtümern schützen, denn in namhaften Auktionshäusern und auf anderen seriösen Plattformen tauchen auch international regelmäßig Neugüsse auf, die als alte Originale zu den entsprechenden Preisen angeboten und auch verkauft werden.

 

 

 

 

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